Von Katrin Frey
Letzte Woche haben wir uns mit dem Karneval in Teilen Deutschlands, sowie dem Mardi Gras beschäftigt. Heute wenden wir uns zunächst der Herkunft des Begriffs zu, reisen erneut nach Übersee und schauen uns drei Schweizer Fasnachten an.
Fas(t)nacht, Karneval und Fasching
„Karneval“ stammt vom lateinischen „carne vale“ und heißt so viel wie: „Fleisch, lebe wohl“. In der Fastenzeit ist der Verzehr von Fleisch, Eiern und Milchprodukten untersagt, weshalb diese Speisen vorher aufgebraucht werden. „Fas(t)nacht“ bezieht sich auf die Fastenzeit, „Fasching“ stammt von der Leerung des Fastschankes.
Der Fasnachtsbrauch hat neben christlichen auch germanische Wurzeln: Zum Ende des Winters verkleidet man sich als Geister und Dämonen, vertreibt die Geister des Winters und weckt mit dem Lärm die Frühlingsgeister.
Oben: Sambatänzerin
Übersee: Farbige Explosion in der Hitze Lateinamerikas
Freitag vor Aschermittwoch beginnt der Karneval in Brasilien (in den Städten Rio, São Paulo und Vítoria), der allein in Rio bis zu 1.5 Mio. Besucher/innen anzieht! Über mehrere Tage präsentieren Sambaschulen in Straßenzügen ihr Können und werden dabei bewertet. Es winkt ein Geldpreis, der Ruhm der Stadt, und Jubel mit Feuerwerk. Die Party startet täglich um 21 Uhr (wegen der Hitze des Tages) in der 700 m langen Arena, getanzt wird bis zum nächsten Morgen. Brasiliens Karnevals sind geprägt von riesigen Festwagen mit imposanten Figuren, aufwändigen (teuren!) farbigen Kostümen rund um viel nackte Haut.
Copa Capanana –> Vor-Alpen: Luzerner Fasnacht
Die zweitgrößte Fasnacht der Schweiz ist die Fasnacht im katholischen Luzern. Sie startet am schmutzigen Donnerstag („Schmotzige Donnschtig“) und dauert bis zum Rosenmontag („Güdismäntig“). Sie hat ihre Wurzeln im mittelalterlichen Zunftwesen: Zur Tagwach um 5 Uhr morgens erschallt der Urknall, der Bruder Fritschi als Oberhaupt der Zunft zu Safran fährt über den Vierwaldstättersee und besucht den Fritschibrunnen. Dort werden die Schaulustigen mit Papierschnipsel („Fötzeli“) beschneit und Orangen werden verteilt. Am Nachmittag folgt der Fritschi-Umzug mit Guggenmusik und Wagenbaugruppen, die um das Luzerner Seebecken ziehen und von rund 30.000 Schaulustigen bestaunt werden. Hinter dem Fritschibrauch wird das Fest zur Freude über den Sieg der Innerschweizer und Luzerner von 1446 über die österreichische Übermacht vermutet.
oben: Tschäggäta
Nur für schneesichere, starke Nerven: Tschäggätta im Lötschental
Diese Masken werden dich bis in deine Träume verfolgen: Hoch in den Schweizer Alpen, im abgelegenen Walliser Lötschental kriechen zwischen Mariä Lichtmess und Aschermittwoch die Tschäggätta aus ihren Löchern. Verhüllt in Tierfellen, Jutesäcken und handgeschnitzten schrecklichen Larven ziehen sie um die Häuser und „überfallen“ die benachbarten Dörfer. Wer nichts zu geben hat, wird von den Dämonen mit Ruß beschmiert und mit einem eisgefrorenen Handschuh geohrfeigt. Traditionell verkleideten sich junge ledige Männer, heute steht es jedem frei, ein/e Tschäggatta zu werden. Der Brauch stammt vermutlich von der Sagengestalt „Frau Perchta“ ab, einer keltischen Version der Göttin Frigg. Sie belohnt Fleiß und Hilfsbereitschaft, bestraft Faulheit mit Albträumen und schlitzt auch mal Bäuche auf…
oben: Larve auf einer Basler Fasnachtstrommel
Die größte Schweizer Fasnacht: Drei Tage Ausnahmezustand in Basel
Die Basler Fasnacht ist eine Welt für sich. Während in Köln von „Motto“ gesprochen wird, ist dieser Begriff in Basel absolut tabu! Die rund 18.000 aktiven Fasnächtler spielen ein „Sujet“ aus, tragen Larven (keine Masken!) und nehmen am Cortège (nicht Umzug!) teil. Der französische Einfluss auf Basel ist evident. Die „Drey scheenschte Dääg“ beginnen am Montag nach Aschermittwoch mit dem Morgestraich: Um Punkt 4 Uhr morgens löschen die Stadtwerke die Straßenbeleuchtung, wer die Schaufensterbeleuchtung seines Geschäftes nicht ausgemacht hat, dessen Fenster werden mit Brettern und Wolldecken zugenagelt. Fasnachtscliquen (Pfeiffer und Tambouren zurückreichend in die napoleonische Armee) präsentieren ihre Sujets auf großen Zuglaternen und kleinen Kopflaternen und ziehen musizierend durch die Straßen Basels. Dieses Schauspiel allein zieht an die 100.000 Zuschauer/innen an. Nach ca. 2 Stunden stärkt man sich mit den traditionellen Fasnachtsspeisen: Mehlsuppe, Zwiebel- und Käsewähe (pikante Kuchen) und legt sich nochmals auf Ohr. Montag bis Mittwoch finden dann am Nachmittag die großen Straßenumzüge statt.
Sujets können alles und jeden darstellen, wiederkehrende traditionelle Motive von Kostümen und Larven sind die Alte Tante, Harlekin und der Waggis. Was in Köln die Narrensitzungen, sind in Basel (und Umland) der Schnitzelbank: In kurzen melodisch vorgetragenen Versen wird Zeitgeschehen und Lokalkollorit satirisch vorgetragen und mit einer Pointe beendet.
Kommenden Montag ist es wieder soweit, wenn das Herz eines jeden Baslers höherschlägt, die „Räppli“ (Konfetti) und Orangen um die Ohren pfeiffen und dann wieder 363 Tage zu warten sind auf den nächsten Morgestraich.